Ein Dialyse-Tagebuch macht Mut

Bauchfelldialyse und Reisen, Baxter Patienteninformation
Peter Birkenmaier
Bauchfelldialyse und Reisen, Baxter Patienteninformation
Peter Birkenmaier mit Camper und Anhänger an der Korsika-Fähre in Genua
Bauchfelldialyse und Reisen, Baxter Patienteninformation
Peter Birkenmaier: Unser Campmobil, ein alter VW-Bus, mit neuem Anhänger.
Bauchfelldialyse und Reisen, Baxter Patienteninformation
Das „Set-up“ mit Cycler, wie es jeden Abend im VW-Bus aufgebaut wird – Zeitaufwand etwa 10 Minuten. Der Cycler passt ziemlich genau auf den Einzelsitz rechts. Über das Schlauchset (blaue Halterung) könnten bis zu vier PD-Beutel angeschlossen werden. In den ersten Jahren der Bauchfelldialyse werden nur zwei benötigt.

Geschenkte Jahre mit Peritonealdialyse (PD/CAPD)

Vorwort

Als dieses Büchlein druckreif wurde, hatte ich schon drei Jahre Dialyse hinter mir. Genauer gesagt: Bauchfelldialyse (Fachwort: Peritonealdialyse). Das ist die – bis zum heutigen Tag eher unpopuläre – Alternative zur Blutwäsche (Fachwort: Hämodialyse), bei der das Blut eines Nieren-Kranken außerhalb des Körpers durch eine Maschine gefiltert und gereinigt wird.

Dieses „Blutwäsche“-Verfahren wird von über 90 Prozent aller Dialysepflichtigen in Deutschland genutzt, während die als Heimdialyse weit besser geeignete Peritonealdialyse nur von etwas mehr als sechs Prozent praktiziert wird. Die Quote hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert.

Warum das so ist? Ich habe darauf keine vernünftige Antwort gefunden – doch die Suche danach ist auch nicht mein Thema. Die ausschließlich guten Erfahrungen mit der Bauchfelldialyse aber, die weitgehende Unabhängigkeit von Dialysezentren und die daraus entstehende individuelle (Planungs-) Freiheit haben mich veranlasst, dieses Tagebuch als „Mut-Macher“ und ein bisschen auch als Ratgeber zu publizieren.

Mit dem Manuskript habe ich schon vor dem ersten Dialysetag begonnen, so dass der Leser auch meine Ängste, Gedanken und Zweifel vor der Entscheidung pro  Peritonealdialyse nachvollziehen kann. Und um es vorwegzunehmen: Die positive Zwischenbilanz, die ich nach drei Jahren Peritonealdialyse ziehen kann, lässt sich am besten mit der Erkenntnis ausdrücken, dass ich im Leben und Alltag keine gravierenden Einschränkungen spüre.  Das einzige, was ich gelegentlich vermisse, sind spontane Flugreisen in die Ferne – aber auch die ließen sich ohne große Probleme mit einer gewissen Vorlaufzeit organisieren.

Wir bescheiden uns inzwischen gern mit kleinen und größeren Camping-Reisen durch Europa: Im Frühsommer sind wir jedes Jahr fünf Wochen lang mit unserem alten VW-Bus unterwegs – für exakt diese Zeit reicht der Laderaum unseres Anhängers, der die Pakete mit der notwendigen PD-Lösung transportieren muss.

Wenn ich dies schreibe, hoffe ich sehr, dass die Peritonealdialyse noch möglichst viele Jahre funktioniert. Es lohnt sich, die dadurch „geschenkten Jahre“ auszukosten.

Das Tagebuch

September/Oktober 2013

Es ist soweit: Ich muss „an die Dialyse“. Der Kreatininwert ist über die Marke 5 gesprungen. Mit meinem Nephrologen (Nierenfacharzt) hatte ich vereinbart, dass wir, sobald dieser Wert erreicht ist, an die Anlage eines Shunts gehen.

Shunt-Anlage: Vorbereitung auf die klassische Hämodialyse („Blutwäsche“), für die sich in Deutschland 95 Prozent aller Dialysepflichtigen entscheiden. Aber wollte ich das auch wirklich?

Ich hatte mich schon Wochen zuvor über die Alternative Peritonealdialyse (CAPD)  informieren lassen. Eine realistische Option? Ja, dachte ich spontan. Das soll ja viel mehr Freiheit bedeuten als bei den starren Terminen der Hämodialyse. Allerdings auch mehr Aufwand - jeden Tag. Unterwegs oder zuhause.

Ich dachte eine Weile darüber nach. Flexibilität und Freiheit, das würde mir schon gefallen. Ich müsste nicht dreimal in der Woche zu einem Dialyse-Zentrum fahren, wo ich vier bis fünf Stunden den „künstlichen Nieren“ ausgeliefert wäre. Ich könnte die Dialyse praktisch in Eigenregie an fast beliebigen Orten durchführen.

Andererseits wäre ich jeden Tag mehrmals mit dem Thema Dialyse konfrontiert, müsste ich durchschnittlich vier Mal einen Beutel wechseln, was jeweils etwa  20 – 30 Minuten erfordert. Und ich hätte jede Menge Eigenverantwortung. Passte das zu mir? Wenn ich ehrlich war, musste ich dazu „nein“ sagen. Die Selbstdisziplin gehört zu den schwächeren Seiten meiner Persönlichkeit, nach bisheriger Erfahrung. Also freundete ich mich mit dem Gedanken an, durch Hämodialyse zwar etwas mehr angebunden zu sein, dafür aber vier dialysefreie Tage in der Woche einplanen zu können.

„Baustelle Blutdruck“

Das chronische Nierenversagen, das unweigerlich zur Dialyse führt, war nicht meine einzige gesundheitliche „Baustelle“. Seit langem schon plagt mich – vermutlich in direktem Zusammenhang mit den Nieren – ein extrem hoher Blutdruck. Selten messe ich Werte unter 200 systolisch, der diastolische Wert bleibt oft unter 90, ist also o.k.

Da ich seit langem bis zu fünf Blutdruckmitteln nehme, also praktisch sämtliche verfügbaren Wirkstoffe, erscheint diese Situation umso dramatischer. Und es ist ziemlich klar, dass meine Nieren weniger unter dem – gut eingestellten – Diabetes-Blutzucker leiden als unter dem hohen Blutdruck.

Zwischen August und September 2013 schreibe ich meine Blutdruckwerte häufiger in ein Logbuch und präsentiere dies meinem Nephrologen. Sein nüchterner Kommentar: „Wenn ich das sehe, wird mir schlecht“.

Er verschreibt mir ein „Reserve-Medikament“, das in derart schwierigen Fällen eingesetzt werde – allerdings kaum von Kardiologen, sondern vorwiegend von Nephrologen, wie er einräumt. Ein Teufelszeug, wie mir beim Lesen des Beipackzettels klar wird. Zu den „häufigen“ Nebenwirkungen zählt eine Herzbeutelentzündung mit Herzbeutelerguss.

Vor lauter Respekt, mehr noch: Angst, fange ich mit einer halben Tablette morgens und abends an, obwohl der Arzt jeweils eine ganze verordnet hat.

Schon drei Tage später wird mir noch mulmiger: Bei einer längeren Autofahrt spüre ich einen ziemlich aus dem Takt geratenen Herzschlag, der sich lange nicht beruhigt.

Es kommt aber noch schlimmer.

Samstag, 21. September 2013

Beim Polterabend einer Nichte, Patenkind meiner Frau, dröhnt mir die Musik besonders arg in die – vom Blutdruck ebenfalls schon stark geschädigten – Ohren. Ich gehe deshalb gegen halb zwei Uhr nachts nach Hause, genieße die Ruhe und lege mich ins Bett.

Einschlafen kann ich nicht, weil mein Herz spürbar rast. Auch das steht irgendwo im Beipackzettel. Aber ich habe nicht nur einen Puls von über 130 (doppelt so viel wie sonst), sondern auch deutlich spürbare Rhythmusstörungen.

Voller Angst ziehe ich mich wieder an, steige ins Auto und fahre zum nächsten Krankenhaus. Auf dem Parkplatz versuche ich mich erst einmal zu beruhigen. Bei Dir spielt (wieder einmal) die Psyche verrückt, denke ich bei mir. Mit etwas autogenem Training gelingt es mir, die aufkommende Panik zurückzudrängen.

Ich will eigentlich nicht ins Krankenhaus. Wenn vielleicht alles nur nervös ist?
Ich fahre zurück nach Hause. Der Puls bleibt ziemlich hoch. Meine Frau kommt vom Polterabend heim. Auch sie glaubt eher an mein dürftiges Nervenkostüm als an etwas Ernstes. Wir versuchen beide zu schlafen – und schaffen es auch.

Gegen 9 Uhr wache ich auf. Der Puls, hoch und völlig unregelmäßig, hat sich nicht beruhigt. Ich bekomme weiche Knie. Jetzt rufe ich beim Notdienst des Nephrologischen Zentrums an. Dort gibt es sonntags einen Rückruf-Service, der auch funktioniert. Ein diensthabender Arzt hört sich meine Geschichte an und empfiehlt, sofort ins Krankenhaus zu kommen. Er vermutet Vorhofflimmern und will die Notaufnahme entsprechend vorinformieren.
Wir fahren in die Kreisstadt.

Sonntag, 22. September 2013

Das EKG, das in der Notaufnahme angefertigt wird, bringt die Ärztin ins Grübeln. Die Rhythmusstörungen sind klar zu erkennen, andere Zeichen des Vorhofflimmerns auch. Wenig später erfahre ich außerdem, dass ich „stark überwässert“ sei. Meine Lunge wird geröntgt.

Wegen der beim Vorhofflimmern akuten Gefahr eines Infarkts oder Schlaganfalls muss ich überwacht werden. Ich komme auf die Intensivstation.

Eine Heparin-Infusion beugt Infarkt bzw. Schlaganfall vor, intravenös verabreichte Medikamente sollen den Herzrhythmus stabilisieren. Schon am nächsten Tag kann ich auf eine Normalstation verlegt werden. Dort wenden wir uns auch wieder dem Thema Hämodialyse zu.

Ambulante Shunt-OP?

In einem Vorgespräch mit dem Chefarzt der Abteilung „Shunt“ schaut sich dieser per Ultraschall meine Gefäße an. Er stellt fest, dass ich „keine jungfräulichen Venen“ mehr habe (Kunststück, bei einem Alter von 67), dass aber der Anlage eines Shunts bei einer ambulant durchgeführten Operation nichts im Wege stehe. Und die Narkose, betont er, könne sich auf eine Lokalanästhesie beschränken. Also keine Vollnarkose.

Und dann malt er mit einem Kuli die ungefähre Stelle am Unterarm an, an der er den Schnitt für den Shunt machen will. Für die OP wird Freitag, der 4. Oktober 2013, verbindlich eingeplant.

Das Umdenken beginnt

Ich liege in der Station 5 Ost des Klinikums zusammen mit weiteren Dialyse-Patienten bzw. -Kandidaten. Die meisten sind hier, weil ihr Shunt repariert werden muss. Ein türkischer Bettnachbar hat schon den fünften Shunt. Oder war es der sechste? Er zeigt mir seine Narben. Ein Arm sieht ganz wellig aus, buchstäblich „vershuntelt“. Mir wird komisch.

Ich erlebe, wie meine Zimmergenossen morgens um halb acht zur Dialyse abgeholt werden. Jeden zweiten Tag. Zurück kommen sie gegen 13 Uhr, manchmal auch später. Meine Shunt-OP rückt näher.

Dann kommt der Tag, an dem ich mit einer Mitarbeiterin auf der Station ins Gespräch komme. Sie fragt nur kurz, aber vielsagend, ob ich mir das mit der Hämodialyse gut überlegt hätte. Und sie berichtet, ganz sachlich, von Patienten, die fast jeden Monat ins Krankenhaus kämen – meist mit Shunt-Problemen. Natürlich, sagt sie auch, ist das in diesem Klinikum relativ häufig, weil Leute aus dem ganzen Südwesten in das Klinikum kommen.

Wir sprechen über einzelne Aspekte der Hämo- bzw. Peritonealdialyse, vor allem über notwendige Diäten, Trinkmengen und so weiter. Auf einmal wird mir klar, dass ich mich eigentlich gut über die Peritonealdialyse, nicht aber über die Hämodialyse informiert habe. Ich spreche sofort mit der Stationsärztin darüber und artikuliere meinen Wunsch, die Wahl des Dialyseverfahrens nochmal zu überdenken. Als erstes brauche ich ein Gespräch mit meinem Nephrologen. Die Ärztin hat volles Verständnis und greift zum Handy.

Schon am frühen Nachmittag des gleichen Tages findet dieses Gespräch statt. Der Facharzt nimmt sich viel Zeit dafür. Meine Frau ist dabei, damit auch sie über alle Details informiert ist.

Ich habe mir alle offenen Fragen aufgeschrieben – vor allem zur Hämodialyse, aber auch noch einmal zur CAPD. Er antwortet sachlich und unvoreingenommen auf alles. Er will mich nicht beeinflussen.

Am Ende der Sitzungen weiß ich, dass ich meine Entscheidung überdenken muss. Aber ich mache es mir nicht leicht, bitte auch eine der CAPD-Schwestern zu einem ausführlichen Gespräch. Es findet am nächsten Vormittag statt und klärt vor allem technische Fragen, Fragen zum Tagesablauf, Fragen zur Flexibilität.

Ich ahne, dass meine anfängliche Entscheidung pro HD vorschnell gefasst worden ist. Am Wochenende will ich aber alles noch einmal mit meiner Frau durchsprechen, denn für sie würde die CAPD auch mehr Aufwand, Mitverantwortung und vielleicht auch Aufregung bedeuten. Am Montag soll ich dem Nephrologischen Zentrum die Entscheidung mitteilen. Obwohl die Würfel noch nicht ganz gefallen sind, fühle ich mich irgendwie gut.

Und ich fühle mich auch gut, obwohl ich weiß, dass es statt der ambulanten Shunt-OP eine Operation mit Vollnarkose geben muss. Ich hatte noch nie eine Vollnarkose erlebt. Die Angst ist natürlich irrational und doch habe ich sie. Was, wenn mein Körper die Vollnarkose nicht verträgt? Wenn es bei der OP Kreislaufprobleme gibt? Ich habe zu lange die Krankenhaus-Serie „In aller Freundschaft“ geguckt, mit all ihren Defibrillator-Einsätzen auf dem OP-Tisch...

Trotz allem: Ich werde mich wohl für die CAPD entscheiden.

Der Termin für die OP, bei der der Bauchkatheter – auf minimal invasive Weise - eingepflanzt werden soll, wird vorsorglich festgelegt; er liegt sogar näher als die geplante Shunt-OP, nämlich am nächsten Mittwoch.

Die Entscheidung ist klar

Am Wochenende sprechen wir noch einmal alles durch: Meine Frau steht voll hinter der Alternative CAPD. Meine Entscheidung ist jetzt klar: Peritonealdialyse. Am Montagmorgen teile ich dies dem Nephrologischen Zentrum endgültig mit.

Der Termin rückt näher. Ich wundere mich, mit welcher Gelassenheit ich die zwei Tage vor der OP verbringe. Sie gipfelt darin, dass ich am Abend vorher nicht einmal um eine Beruhigungspille bitte.

Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, dass der OP nichts mehr entgegensteht: Der Perikard-Erguss hat sich zurückgebildet, das Wasser ist aus den Beinen weitgehend verschwunden, der Herzrhythmus ist normalisiert.

In den Vorgesprächen mit Chirurg und Narkoseärztin (Anästhesistin) werde ich weiter ermutigt, vor allem der Operateur entpuppt sich als fröhlicher, überaus positiver Arzt, der mir mit heiteren Worten exakt die OP-Methode erklärt: zwei kleine Schnitte für die Kamera (Laparoskopie) und das OP-Besteck, ein dritter Schnitt für den Bauchkatheter. Die OP, meint er, werde wohl nicht länger als 30 Minuten dauern.

Allerdings könnte es eine Verlängerung geben, fügt er hinzu, wenn bei der Inspektion des Bauchraums ein „Bruch“ entdeckt würde. Dieser müsste dann zusätzlich operiert und durch ein kleines „Netz“ repariert werden. Ich unterschreibe mein Einverständnis für diesen zwar unwahrscheinlichen, aber nicht ganz ausgeschlossenen Fall.Die Nacht vor der OP ist störungsfrei, ich schlafe fast durch.

Erst im Lauf des Vormittags ändert sich die noch stabile mentale Lage. Jetzt bin ich reif für die berüchtigte „LmaA-Tablette“. Eigentlich war geplant, dass ich mit der OP schon ganz früh drankomme, aber man kündigt mir bereits am Vorabend an, dass es wohl doch nicht so schnell gehen würde. Eher Mittag. Das Warten am nächsten Morgen zerrt nun doch an den Nerven. Ich werde immer unruhiger und stelle mit Schrecken fest, dass auch mein Herz wie¬der aus dem Takt gerät.

Gegen 11 Uhr bekomme ich – endlich – die Tablette. „Unter die Zuge legen“, sagt die Schwester. Ich harre der Dinge...

Gegen Mittag rollen sie mein Bett Richtung OP-Saal. Ich versuche Autogenes Training. Ohne großen Erfolg. Das Herz stolpert, scheint zu flattern. Ich verbiete mir, an die OP zu denken. Schwierig. Vollnarkose, bisher nie erlebt...

Jetzt fängt auch noch die Blase an zu drücken. Ich sag es der Schwester, die mich rollt. „Jetzt ist es zu spät“, meint sie bedauernd. Kurz vor der „Einleitung“ krieg ich dann doch noch eine „Flasche“. Ich bin heilfroh und buchstäblich erleichtert.

„Jetzt kommt was Schönes“, murmelt ein vermummter Arzt oder Pfleger im Vorraum zum OP. Er bettet mich in warme Tücher. Wie angenehm. Dann geht es einen Raum weiter - zur „Einleitung“. Die Anästhesistin sagt, was alle Anästhesisten sagen (das weiß ich von einer Freundin, die diesen Beruf auch ausübt): „Denken sie an was „Schönes“....

Es wird wieder hell

Mein neues Leben beginnt in einem ziemlich hellen Saal. Der „Aufwachraum“. Es dauert eine Weile, bis ich begreife, wo ich bin. Hey, ich hab es hinter mir! Das Bewusstsein setzt sich nur langsam durch. Mir fallen immer wieder die Augen zu.

Irgendwann schieben sie mich auf die Station. Unterwegs sehe ich die Uhrzeit: halb Vier. Hat die OP doch länger gedauert? War da was, was mir noch keiner erzählt hat? Später erfahre ich – von einer CAPD-Schwester, die dabei war -, dass es bei der OP keinerlei Zwischenfälle gegeben hat. Und dass auch das Thema „Bruch“ ohne Befund abgehakt werden konnte. Den Chirurgen habe ich übrigens hinterher auch nie mehr gesehen. Schade eigentlich, der war richtig nett. Und ein bisschen werde ich auf die Shunt-Operierten neidisch, die meines Wissens immer Besuch von ihrem Chirurgen bekommen.

Ich nehme es positiv: Wahrscheinlich ist die Katheter-Operation etwas so Triviales und Routinemäßiges, dass man die OP einfach schnell vergisst. Auf der Station hat seit Stunden meine Frau gewartet, die nun erleichtert feststellt, dass ich sie schon von weitem erkenne – und freudig winke.

Wenn der Katheter zwickt...

Jetzt muss ich mich also daran gewöhnen, dass aus meiner Bauchdecke ein dünner, weicher Schlauch ins Freie führt. Zusammen mit einer Verlängerung, die immer dran bleibt, sind es je nach Größe bis zu 30 - 40 cm.

Die Vorstellung schreckt mich nicht, weil ich mich gedanklich programmiert habe: Dieser Schlauch ist lebensnotwendige Grundlage für die von mir gewählte Nierenersatztherapie, die CAPD.

Ich weiß auch, dass diese Methode nicht ewig anzuwenden ist. Nach fünf bis sechs Jahren – im Schnitt – versagt das Bauchfell seinen Dienst als Entgiftungsfilter. Dann bleibt nur noch die Hämodialyse. Oder eine Nierentransplantation.

Vielleicht hab ich Glück und gehöre zu denen, bei denen die CAPD länger wirkt. Eine Schwester erzählt mir, dass einer ihrer Patienten die Peritonealdialyse seit über zehn Jahren praktiziert. Aber sie gibt auch zu, dass das eine Ausnahme darstellt.

Warten wir es ab. Und hoffen wir, dass der Katheter und das Bauchfell überhaupt ihre Arbeit so tun, wie sie sollen. Zehn Tage nach der OP werden wir eine Ahnung davon bekommen.

Die größte Sorge gilt im Augenblick dem Risiko, dass es meiner Frau vor dem Anblick des Schlauches graust. Ich artikuliere die Frage offen – und sie verneint energisch. Ich glaube es ihr.

Noch ist der Katheter verpackt und verpflastert. Eine breite „Bauchbinde“ mit Klettverschluss liegt über dem sorgfältigen Verband der kleinen OP-Narben. Alles muss erst einmal heilen.

Ich werde den Katheter noch eine Weile spüren. Vor allem, wenn ich mich nach links drehe, zwickt er kräftig. Ich spüre ihn auch beim Aufsitzen und bei „falschen“ Bewegungen. Aber die Beschwerden sind auszuhalten. Schon zwei Tage später kann ich sitzen und kurz darauf auch aufstehen. Und beim Gehen merke ich eigentlich gar nichts mehr.

Sitzt der Schlauch auch richtig?

Ein paar Tage nach der OP wird mein Bauch geröntgt. Man will wissen, ob der Katheter richtig sitzt. Er könnte zum Beispiel auf Organe drücken oder den Harnleiter behindern.

Da ich hinterher nichts mehr höre, scheint das nicht der Fall zu sein. Ich bin beruhigt. Eine furchtbare Vorstellung, dass ich nochmal operiert werden müsste, bloß weil sich der Katheter irgendwo zwischen Leber und Prostata verklemmt hat. Dass er nicht im freien Raum schwebt, sondern an Darm und andere Innereien stößt, ist mir schon klar. Ich soll deshalb, so eine strenge Maßregel, bei „größeren Geschäften“ möglichst nicht pressen. Dummerweise habe ich aber ausgerechnet nach der OP eine Verstopfung. Mit einem ekelhaft süßen Sirup als „Weichmacher“, den ich nach dem Frühstück schlucken muss, soll das Problem gelöst werden.

Zwei Tage später ist das Thema abgehakt. Es gibt noch ein paar weitere postoperative Probleme, die aber schnell überwunden sind: Heftige Schmerzen im Schultergelenk zum Beispiel. Und Blähungen, die tief im Bauch ganz schön zwicken. Gegen ersteres hilft eine Beinwell-Salbe, gegen die „Winde“ eine Kautablette.

Wieder schmerzfrei, nähere ich mich dem Tag, an dem ich mit der Peritonealdialyse beginnen kann. Irgendwie freue ich mich drauf. Endlich kann ich aktiv gegen die zunehmende Vergiftung meines Körpers vorgehen. Ich bin schon sehr gespannt, wann der positive Effekt der „Nierenersatztherapie“ spürbar und messbar wird.

Zunächst werde ich auf die tägliche Prozedur des „Beutelwechsels“ sorgfältig vorbereitet. Am Anfang machen wir nur „Trockenübungen“. Im Vordergrund steht das möglichst „keimfreie“ Arbeiten mit dem PD-Beutel und Schläuchen. Ich lerne, wie man sekundenschnell den Katheter anschließt, erfahre, auf welche Risiken ich zu achten habe – und ich werde von einer Ernährungsberaterin auf die Zukunft vorbereitet.

„Wir spülen nur mal durch“

Freitagabend, 11. Oktober 2013. Es ist der Vorabend des Dialyse-Beginns. Schwester Heike kommt mit einem Rollwägelchen voller Pakete und Päckchen ins Zimmer. Sie zieht auch noch einen Infusionsständer hinter sich her. Will sie die Premiere vorziehen?

Nein, nein, beruhigt sie mich. „Wir spülen nur mal durch“. Das heißt natürlich, dass der Katheter zum ersten Mal geöffnet und mit einem Beutel voller PD-Lösung verbunden wird. Die CAPD-Schwestern benutzen dafür den respektheischenden Ausdruck „konnektieren“.

Unter der Anleitung von Schwester Heike wird also zum ersten Mal das Ende des Katheters geöffnet und mit dem Schlauchsystem des PD-Beutels „konnektiert“. Wow! Ich bin von der Vorsicht und Sorgfalt beeindruckt, mit der auf größtmögliche Keimfreiheit bei diesem Vorgang geachtet wird.

Der Beutel mit der vorgewärmten Dialyselösung hängt kurz darauf am Infusionsständer. Er hat zwei Kammern, deren Inhalt zusammenfließt, wenn man einen Kunststoffdorn zerbricht. Der Zuckeranteil der Lösungen entzieht dem Blut überflüssiges Wasser.

Diese Wasserausscheidung, Ultrafiltration genannt, ist vor allem für Nierenpatienten wichtig, die nur noch geringe oder gar keine Urin-Produktion mehr haben. Bei mir – zum Glück – läuft noch ziemlich viel. Ich erhalte deshalb PD-Beutel mit der geringsten Glukosekonzentration: 1,36 Prozent.

Zum ersten Mal wird das Innere meines Bauches über den eingesetzten Katheter mit PD-Lösung gefüllt. Ich spüre – nichts. Das liegt wohl daran, dass die Dialyseflüssigkeit vor dem Einfüllen aufgewärmt wird, auf 37 Grad, also Körpertemperatur. Die Flüssigkeit bleibt – diesmal – nur ein paar Minuten drin, dann wird sie wieder in einen leeren Kunststoffbeutel abgelassen. Bei diesem Probelauf wird vor allem festgestellt, ob der Katheter richtig „läuft“, d.h. ob die Dialyseflüssigkeit schnell genug hinein- bzw. wieder abläuft.

Meine CAPD-Schwester ist begeistert: „Bei Ihnen läuft das wie geschmiert...“

Es geht los – ganz ohne Völlegefühl

Am Tag nach dem ersten „Durchspülen“, es ist der 12. Oktober 2013, geht es bei mir mit der CAPD dann richtig los. Zuvor waren für mich zwei Entscheidungen getroffen worden:

  1. Die PD-Lösung soll von Baxter geliefert werden – einem der zwei bedeutenden Hersteller des Marktes, Weltmarktführer wie ich später erfahre. Neben Baxter gibt es noch Fresenius.
  2. Vier Beutelwechsel sind pro Tag vorgesehen, wobei jeweils 1500 ml PD-Lösung eingefüllt werden. Diese Dosierung kann bei mir auf bis zu 2000 ml pro Beutelwechsel gesteigert werden.

Die spannende Frage, die ich mir stelle: Werde ich diese Flüssigkeit im Bauch spüren, wird sie gar ein unangenehmes Völlegefühl auslösen?

Um es vorwegzunehmen: Nein! Ich merke eigentlich gar nichts. Auch später, bei größeren Füllvolumina, belastet mich die Flüssigkeitsmenge fast gar nicht. Lediglich bei längeren Spaziergängen meine ich, ab und zu einen Druck auf den Hüften zu spüren.

Schon am zweiten Tag darf ich den Beutelwechsel weitgehend selbständig vornehmen. Und es dauert nicht allzu lange, bis ich diese Prozedur wie im Schlaf beherrsche. Noch in der gleichen Woche muss ich so etwas wie eine Prüfung absolvieren. Die Stationsärztin beobachtet mit Argusaugen, ob ich den Beutelwechsel unter Beachtung aller Vorsichtsmaßnahmen richtig durchführe. Dann stellt sie mir noch die Frage, was ich mit einem Beutel machen muss, der mir herunterfällt?

Meine Antwort: „Sofort verwerfen und einen neuen aufwärmen“ wirft ein zufriedenes Lächeln auf ihr Gesicht. Ich habe bestanden.

Zurück in den Alltag – mit CAPD

Ein paar Tage später darf ich nach Hause gehen. Der Alltag hat mich wieder – und die Peritonealdialyse gehört schon bald zur täglichen Routine. Da es nicht auf die minutengenaue, ja nicht einmal stundengenaue Einhaltung von Zeiten für den Beutelwechsel ankommt, bedeutet sie keinen Stress. Fast keinen Stress, muss ich präzisieren, denn ein bisschen Druck baut sich schon auf – zeitlicher Druck nämlich am späten Abend, wenn die Beutelwechsel über Tag allzu großzügig oder gar nicht geplant sind...

Vier Beutelwechsel soll es am Tag geben, so lautet die Faustregel, und zwar im Abstand von vier bis fünf Stunden. Im Prinzip kann man auch schon nach zweieinhalb oder drei Stunden wechseln. Oder, wenn es nicht anders geht, auch erst nach sechs oder gar mehr Stunden. Der Vier-Stunden-Rhythmus, heißt es, ist am effektivsten, die Entgiftung bei dieser Wechsel-Frequenz also am besten. Schnelligkeit und Grad der Entgiftung sind allerdings individuell sehr verschieden.

Erst einige Monate nach Dialysebeginn werde ich erfahren, ob ich ein schneller oder langsamer Entgifter bin. Diese Feststellung wird dann wichtig sein um zu sehen, ob ich für die Verwendung einer Maschine zur automatisierten, nächtlichen Dialyse geeignet bin. Ein solcher Cycler interessiert mich sehr, weil ich dann tagsüber von Dialyse-Verpflichtungen völlig frei wäre – eine phantastische Vorstellung!

Drei Monate nur manuell

Bevor ich aber auf den sicher komfortableren Cycler-Einsatz umstellen kann, muss ich mich erst einmal im manuellen Beutelwechseln bewähren. Drei Monate lang ist dieses Verfahren – also die CAPD – anzuwenden, bevor ich die APD („Automatisierte Peritonealdialyse“) mit Cycler beantragen kann. Nach diesen drei Monaten wird übrigens auch zum ersten Mal die entgiftende Wirkung der CAPD exakt gemessen.

Ich gewöhne mich also ziemlich schnell an den manuellen Wechsel und bin immer wieder froh, wie reibungslos und auch flott die Prozedur abläuft. Mein Katheter läuft so gut, dass ein Beutelwechsel meist nach 20, höchstens 30 Minuten erledigt ist. Das einzige Problem, und jetzt komme ich auf das Stichwort „Druck“ zurück, besteht darin, dass mein letzter Beutelwechsel oft in die Nacht fällt.

Da ich nicht zu den Frühaufstehern zähle, fange ich morgens gegen 9 Uhr mit dem ersten Beutelwechsel an. Das Dialysat, das die ganze Nacht im Bauch war, darf ihn also verlassen. Es ist nach der langen Verweilzeit etwas gelber als sonst – oder bilde ich es mir nur ein? Egal, es muss auf jeden Fall klar sein. Wäre der Auslauf trübe, würde dies den Verdacht auf eine Bauchfellentzündung auslösen. Ein „worst case“ bei der Peritonealdialyse, nicht nur wegen der damit verbundenen Beschwerden und der allgemeinen Gefahr für die Gesundheit.

Bei einer nicht schnell genug behandelten Bauchfellentzündung, Fachbegriff „Peritonitis“, kann das Bauchfell nachhaltig geschädigt werden, mit der Folge, dass die Bauchfelldialyse nicht mehr wirksam genug ist und allzu schnell durch Hämodialyse oder Transplantation abgelöst werden müsste. Damit eine – nie völlig ausgeschlossene – Infektion des Bauchraums so früh wie möglich erkannt und behandelt werden kann, gewöhne ich mir an, den Auslauf am Morgen mit einem Teststäbchen zu kontrollieren. Es würde schon geringste Mengen Leukozyten – weiße Blutkörperchen – anzeigen, die auf eine Infektion mit Keimen hinweisen. In der Regel genügt es nach jedem Beutelwechsel nachzusehen ob die Lösung klar ist.

Zurück zum Tagesablauf: Frühestens gegen 13 Uhr ist der zweite Beutelwechsel dran, oft auch etwas später. Wenn der Nachmittag mit Aktivitäten belegt ist, folgt der dritte Beutelwechsel erst gegen 19 Uhr. Beim vierten Wechsel zeigt die Uhr dann nicht selten Mitternacht, vor allem, wenn das abendliche Fernsehprogramm spannend war. Das „Vorsichherschieben“ der manuellen Beutelwechsel habe ich insgesamt als größtes, wenngleich erträgliches Problem empfunden. Später hat es mir nur noch wenig ausgemacht, den Wecker auch mal mitten in der Nacht zu stellen, um einen wegen Müdigkeit aufgeschobenen Beutelwechsel nachzuholen.

Wechsel auch im Halbschlaf

Die Prozedur des Beutelwechselns geht einem bald so in Fleisch und Blut über, dass man sie buchstäblich im Schlaf beherrscht. Im Halbschlaf allerdings können Fehler passieren, an die man denken muss.

Häufiger Fehler: Man vergisst, PD-Beutel mit dem glukosehaltigen Teil durchzumischen. Dies geschieht normalerweise durch das Zerbrechen eines vorhandenen Kunststoff-Dorns. Während des Ablaufs der Flüssigkeit aus dem Bauchraum können sich die entsprechenden Teile des frischen PD-Beutels mischen.

Nach dem Ablauf des verbrauchten Dialysats muss der Schlauch zu diesem Beutel abgeklemmt werden. Gleichzeitig ist der Zufluss zum Bauchraum via Katheter ebenfalls durch den vorhandenen Drehverschluss zu blockieren. Von der frischen PD-Lösung müssen erst einmal einige Milliliter in den Ablaufbeutel abgelassen werden, damit die Schlauchleitung „durchgespült“ wird. Zu diesem Zweck ist die Klemme zum Ablaufbeutel wieder kurzzeitig zu öffnen – ich zähle einfach bis drei, dann wird die Klemme wieder geschlossen und der Drehverschluss zum Bauch geöffnet.

Eigentlich sind dies alles sehr einfache Vorgänge, die man bald eingeübt hat, aber im Halbschlaf kann man doch das eine oder andere vergessen. Zum Beispiel die genannte „Spülung“, die aus Sicherheitsgründen wichtig ist.

Im Lauf der Zeit passiert es auch immer häufiger, dass ich versehentlich den ganzen Beutel der frischen PD-Lösung einlaufen lasse, obwohl ich eigentlich nur 1500 ml benutzen soll. Dies geschieht nicht nur bei nächtlichen Beutelwechseln mit müdem Kopf, sondern auch beim Zeitunglesen, Fernsehgucken oder beim Nachdenken über wichtige Themen. Da ist der Beutel schneller leergelaufen als man denkt. Schlimm ist das allerdings nicht, sagt mein Nephrologe.

Woher weiß ich eigentlich, wann 1500 ml aus dem neuen Beutel in den Katheter geflossen sind? Ganz einfach: durch das Beobachten einer Federwaage, an der der Beutel hängt. Bei einem Gesamtgewicht des vollen Beutels von 2250 Gramm muss die Federwaage beim Einfüllen noch 750 g anzeigen, dann sind die geforderten 1500 ml herausgelaufen. Im Lauf der Zeit dient die Waage nur noch zur Kontrolle, man sieht schon am Flüssigkeitsstand im Beutel, wieviel noch übrig ist.

Nützliche Hilfsmittel im Internet

Schon in den ersten Tagen der zuhause durchgeführten Dialyse schaue ich mich im Internet nach wichtigen, nützlichen Hilfsmitteln um. Ich möchte vor allem einen breiten Stoffgürtel, in dem ich das Katheterendstück bequem unterbringen kann.

Ich finde nur einen Anbieter, bei dem ich auch noch eine spezielle CAPD-Reisetasche und eine Wärmeplatte für unterwegs entdecke. Beides erweist sich bald als äußerst praktisch, denn noch im Winter planen wir erste Kurzreisen. Bei der besonders wichtigen Wärmeplatte – für zuhause habe ich von Baxter ein etwas größeres, schwereres Exemplar gestellt bekommen – handelt es sich um ein kompaktes, leichtes Modell, das sowohl an die Autosteckdose als auch (über ein Netzteil) an eine 230V-Steckdose angeschlossen werden kann. In die Reisetasche schließlich passen neben der Wärmeplatte auch mehrere Dialysebeutel sowie die weiteren unabdingbaren Begleiter wie Mundschutz, Händedesinfektion, Federwaage und Klammern.

Die gesamte Investition für zwei Stoffgürtel (mit eingenähten Täschchen), Wärmeplatte und Reisetasche betrug rund 220 Euro – und wurde zu meiner Überraschung von meiner Krankenversicherung anstandslos erstattet.

Neopren-Gürtel für die Sauna

Viel mehr braucht man auch nicht für die CAPD. Nur zwei kleine Anschaffungen waren für mich persönlich noch nötig: Ein Sauna-Gürtel und ein paar Haken für Beutelwechsel z.B. im Hotel, wo ich keinen Infusionsständer habe.

Die Sauna, in die ich gern regelmäßig gehe, ist für CAPD-Anwender kein Problem, das hat man mir schon vor der Entscheidung für diese Nierenersatz-Therapie versichert. Da ich meinen verpflasterten Bauch nicht in aller Öffentlichkeit präsentieren und nach der Sauna auch kühl duschen möchte, muss ich ihn etwas verstecken. Aber womit?

Im Internet habe ich nach einer Lösung „gegooglelt“, wobei mir das Stichwort „Neopren“ gut geholfen hat. Ich fand nämlich schnell einen „Saunagürtel“ aus diesem Material, der sich auch für meine Zwecke bestens eignete: Das schwarze, breite Band kostete nur rund 10 Euro und ist einigermaßen unauffällig. Mich hat lange Zeit niemand gefragt, warum ich es in der Sauna trage. Erst nach etwa zwei Jahren hörte ich zum ersten Mal die Frage: „Bringt das was….?“ Die Frau, die in der gemischten Sauna diese Frage stellte, dachte zunächst, ich wolle mit dem Neoprengürtel das Schwitzen am Bauch verstärken. Ich hab ihr offen erklärt, wofür er wirklich gedacht ist – einfach zum Verstecken meines Katheters. Ein angeregtes Gespräch war die Folge.

Noch ein Wort zu den Haken: Die CAPD-Heimdialyse lässt sich praktisch überall durchführen, wo es hygienisch einigermaßen sauber ist, also auch im Hotelzimmer oder im Pkw. Weil der zuhause gewohnte Infusionsständer dort nicht zur Verfügung steht, muss der PD-Beutel mit frischer Flüssigkeit auf andere Weise höher gehängt werden. Im Auto ist das nicht immer einfach, weil die Aufhängepunkte rar sind; doch es geht mit einem dicken Draht bzw. S-Haken am Spiegel oder an einem Haltegriff. Als Besitzer eines alten, immer noch geliebten VW-Campers habe ich es sehr leicht: Dieser hat nämlich ein Hubdach, an dessen Stange man den Beutel schön sehr hoch aufhängen kann.

Im Hotel oder in beliebigen Gästezimmern verwende ich Türhaken, die es in jedem Baumarkt für ein paar Euro gibt. Sie lassen sich mit ihrem eckigen Teil oben an jeder Tür einsetzen und bieten dann einen runden Haken, der – auch bei geschlossener Tür – unten rausschaut. Einen Infusionsständer brauche ich nur noch sehr selten.

Die erste Reise – gut überstanden

Nach mehreren Kurzbesuchen mit Übernachtung auswärts weiß ich, dass Beutelwechsel auch unterwegs leicht machbar sind. Es funktioniert sowohl im Kleinwagen als auch im VW-Bus – und in jedem Gästezimmer. Deshalb können wir etwas mutiger werden und eine mehrtägige Reise zusammen mit Freunden nach Amsterdam planen.

Auf der langen Fahrt halten wir uns mit dem Beutelwechsel nicht einmal auf: Meine Frau übernimmt das Steuer und ich wechsle auf der Rückbank den Beutel – während der Fahrt. Später entsorgen wir die benutzten Beutel auf einem Parkplatz.

Am Zielort wohnen wir im Hotel und praktizieren die CAPD im Zimmer wie vorhin beschrieben: Türhaken aufgesetzt, Beutel aufgehängt, in 25 Minuten ist der Wechsel erledigt. Allerdings machen wir eine Erfahrung, die zum – beherrschbaren – Problem werden kann: Obwohl wir schon bei der Ankunft die mobile Wärmeplatte angeschlossen haben, ist der PD-Beutel später immer noch kalt. Des Rätsels Lösung: In den meisten Hotelzimmern geht buchstäblich das Licht aus, wenn man sie verlässt und das Schlüsselkärtchen aus dem Kästchen an der Tür nimmt. Die Lösung: Zweitkarte benutzen, die es an der Rezeption mindestens auf Nachfrage gibt, und im Kästchen belassen.

Beutelwechsel in der Nacht

In Amsterdam habe ich tagsüber etwa alle vier, fünf Stunden die Straßenbahn zum Hotel genommen und für den fälligen Beutelwechsel gesorgt. Weil es Januar war und meistens nass und kalt, waren diese Unterbrechungen des Tagesablaufs sogar angenehm.

Es geht aber auch anders, wenn man den Tag bei so einer Städtereise unterbrechungsfrei lassen möchte. Ein paar Monate später haben wir einen sechstägigen Besuch in Breslau und Niederschlesien unternommen. Obwohl ich damals schon einen Cycler hätte benutzen können, habe ich mich für den manuellen Beutelwechsel entschieden, und zwar teilweise in den Nachtstunden.

Abends vor dem Zubettgehen und morgens nach dem Aufstehen gab es schon zwei „normale“ Beutelwechsel. Dazwischen – etwa um 2 Uhr und um 5 Uhr – habe ich den Wecker, sprich: das Handy, klingeln lassen und zwei weitere Beutelwechsel durchgeführt. Es hört sich nach Stress an, war aber keiner: Schnell hatte ich mich an diese nächtliche Versorgung gewöhnt, akzeptierte sie einfach als äußerst praktische Ausnahme und genoss den darauf folgenden freien Tag, den wir durch wunderbare Ausflüge in die weitere Umgebung von Breslau nutzen konnten.

Wenn die Dialyse wirkt...

Wenden wir uns nun den Ergebnissen der Peritonealdialyse zu. Um es vorweg zu nehmen: Die Wirkung war schon nach relativ kurzer Zeit physisch und psychisch spürbar.

Kurze Rückschau: Das Gefühl, körperlich angeschlagen und kraftlos zu sein, war im Sommer vor dem Dialysebeginn fast unerträglich geworden. Bei einer Wanderung war ich zu meinem Entsetzen kaum noch in der Lage, eine relativ leichte Steigung zu meistern. Das Treppensteigen – wir wohnen im dritten Stock – fiel mir immer schwerer. Ich musste oft pausieren und nach Luft schnappen. Die Hausärztin stellte damals Wasser in der Lunge fest.

Der über lange Zeit hohe Blutdruck führte dazu, dass mein Gehör sehr stark geschädigt wurde: Ich konnte plötzlich die Töne nicht mehr so hören, wie sie klingen mussten – und ich hatte üble Tinnitus-Attacken. Der HNO-Arzt, bei dem ich Hilfe suchte, diagnostizierte „Hydrops“: Flüssigkeit im Innenohr, das auf das Hörsystem drückte. Infusionen, die hier helfen könnten, waren bei mir wegen der Nierenschädigung nicht möglich und Medikamente halfen wochenlang gar nicht. Besonders bitter für mich war die Tatsache, dass ich – ein Mitglied des örtlichen Kirchenchors – etwa eineinhalb Jahre nicht mehr singen konnte.

Zu den dramatischer werdenden körperlichen Beschwerden gesellte sich eine psychische Labilität, die sich oft in depressiver Verstimmung und manchmal auch Panikattacken äußerte. Im Krankenhaus steigerte sich das Unwohlsein bis hin zu Magenschmerzen und Angstzuständen.

Trotzdem löste die Vorbereitung auf die Dialyse eine positive Erwartungshaltung aus, die nicht enttäuscht wurde. Tatsächlich spürte ich schon wenige Tage nach Beginn der CAPD eine zunehmende Erleichterung und die Rückkehr der Leistungskraft, z.B. beim Treppensteigen. Schon drei bis vier Wochen später schlief ich wieder besser, auch der eine Zeitlang völlig begrabene Unternehmungsgeist erwachte zu neuem Leben. Und etwa sechs Wochen später kam der Durchbruch beim Sorgenkind „Blutdruck“.

Vor und nach Dialysebeginn war mein Blutdruck kaum in den Griff zu bekommen. Trotz Wechsel der Medikamente sank er nur selten unter 180/100 und allzu oft sah ich systolische Werte über 200. Dann plötzlich die Besserung: Die Werte schienen Tag für Tag zu sacken. Plötzlich sehe ich – etwa eine Stunde nach Einnahme der Medikamente – Blutdruckwerte von 160/80, dann 140/70 und noch weniger. Eines Tages merke ich, wie mir gegen Mittag richtig schummerig wird. Ich messe und, hoppla, da stehen Sys 100/Dia 45.

Es wird Zeit, die „harten“ Medikamente zu reduzieren bzw. ganz aus dem Behandlungsplan zu nehmen. In Abstimmung mit meinem Arzt stoppen wir das Digitalis-Präparat, halbieren den Betablocker und setzen später auch ein kaliumsparendes Diuretikum ab. Letzteres hat offensichtlich für schmerzende Brustwarzen und Juckreiz gesorgt – ersteres ist nach eineinhalb Monaten ganz verschwunden, mit dem Juckreiz habe ich aus anderen Gründen länger zu tun.

Mit deutlich reduzierter Medikation stabilisiert sich der Blutdruck auf etwa 150/60, manchmal sind die Werte noch tiefer. Mein Internist ist zufrieden. Ich bin es auch.

Die Fitness kehrt zurück

Zu Beginn des Jahres 2014, also zweieinhalb Monate nach Dialysebeginn, spüre ich endgültig die Rückkehr von Fitness und Leistungsfähigkeit. Ich fühle mich frischer, bin wieder unternehmungslustig und werde nicht mehr so schnell müde.

Ich gehe wieder regelmäßig ins Fitnessstudio und dort ein bis zweimal die Woche in die Sauna. Plötzlich macht das Leben wieder Spaß. Ich kann wieder ans Wandern denken, weil auch steile Wege kein Problem mehr sind. Das Radfahren ist keine Strapaze mehr – und das Beutel Wechseln ist zur leichten Routine geworden, die fast automatisch abläuft und das tägliche Leben so gut wie nicht belastet. Besonders erfreulich: Ich kann bald wieder besser hören und singen.

Ich bin heilfroh, dass ich mich für die PD entschieden habe, zumal im Januar ein erster großer Check ihre Wirkung bestätigt. Anhand von Sammelurin, Dialysat-Probe und Blutwerten ist die Entgiftung deutlich messbar, auch die kritischen Blutsalze zeigen sich in einem vernünftigen Bereich.

Mein Kalium-Spiegel ist unter 5, also in einem einigermaßen sicheren Bereich. Und das, obwohl ich gerne frisches Obst und Gemüse esse. Hier bestätigt sich, was mir schon vor der Entscheidung für CAPD gesagt worden war: Mit der Peritonealdialyse lässt es sich in punkto Ernährung besser leben. Man muss nicht allzu vorsichtig sein und kann beim Essen großzügiger sein. Das gilt auch in Bezug auf Phosphat, was in nahezu allen Lebensmitteln enthalten ist und von Nierenkranken ebenfalls mit Vorsicht zu genießen ist.

Weil mein Phosphatspiegel mit 2,9 zunächst relativ hoch ist, leide ich wie viele andere Dialysepflichtige an zeitweise starkem Juckreiz. Es hat sich aber im Lauf der Zeit deutlich gebessert. Mit 2,1 hat das Phosphat bald einen sichtbar günstigeren Wert erreicht.

Alles in allem sehe und spüre ich eine erfreuliche Besserung an vielen gesundheitlichen Fronten – und allmählich kann ich daran denken, die Dialyse durch eine Maschine unterstützen zu lassen – den Cycler.

Von der CAPD zur APD

Ist die Bauchfelldialyse schon bei manuellem Beutelwechsel eine relativ überschaubare Belastung, so verspreche ich mir von der Cyclerbehandlung eine noch höhere Lebensqualität. Die Maschine füllt den Bauchraum in einem programmierbaren Rhythmus jede Nacht mehrmals mit frischer PD-Lösung– und sorgt nach der errechneten „Verweilzeit“ für die Leerung. Nach vier oder fünf Zyklen wird am Morgen noch eine kleine Füllung von ein paar hundert Milliliter vorgenommen, die den restlichen Tag drin bleibt.

Herrlich: Mit dem Cycler kann man die Dialyse tagsüber völlig vergessen. Was ich mir so erträumte, ist dann auch weitgehend Wirklichkeit geworden. Zunächst aber musste geklärt werden, ob ich überhaupt für die Automatisierte Peritonealdialyse (APD) geeignet bin. Weil der Cycler für seine nächtliche Arbeit nur acht bis zehn Stunden Zeit hat, sind die einzelnen Füllungen in der Regel viel kürzer im Bauch als bei manuellem Beutelwechsel über Tag.

Kommt mein Bauchfell mit diesen kürzeren Zyklen so zurecht, dass ich auch mit der Maschine vernünftig entgifte? Diese Frage wird durch einen Test im Februar geklärt. Und es stellt sich zu meiner Freude heraus, dass ich in die Kategorie „High Average“ falle, das heißt auf Deutsch: Die Schnelligkeit der Entgiftung liegt über dem Durchschnitt. Nach dieser Beurteilung ist die Genehmigung eines Cyclers nur noch Formsache. Tatsächlich erfahre ich, dass ich schon Anfang März entsprechend geschult werden soll.

Drei Tage lang wird diese Schulung dauern, für die eine Mitarbeiterin der Dialysefirma eigens einen Tag ins Klinikum und zwei Tage zu mir nach Hause kommen wird. Ich bin gespannt, was sich für meine Dialyse-Praxis ändern wird und wie ich damit klarkommen werde.

Mit dem Cycler schnell vertraut

Er heißt „HomeChoicePro“ und hat auf den ersten Blick beträchtliche Abmessungen. Größer als eine „Mikrowelle“, nötigt er mir schon vom Aussehen her ziemlich viel Respekt ab. Meine Achtung wächst weiter, als ich ihn zum ersten Mal in Aktion sehe, besser gesagt: höre. Im Ernst: Man hört fast gar nichts. Die Frage nach dem Geräusch, das er Nachtens von sich gibt, hat mich von Anfang beschäftigt. Würde er mit seiner „Pumperei“ unseren Schlaf stören?

Nein, werden wir bald feststellen, er stört überhaupt nicht. Nur ein leises Knacken und die Bewegung der beteiligten Schläuche lassen erkennen, dass er in Aktion ist. Das ist eine echte, angenehme Überraschung.

Die Handhabung der Maschine erscheint nur auf den ersten Blick kompliziert. Alle Schritte zur Vorbereitung, zum Einsatz und zum „Abbau“ am Behandlungsende sind auf einer zweiseitigen Karte übersichtlich erläutert. Muss ich anfangs bei jedem Handgriff in die Anleitung schauen, so kann ich den Cycler schon nach wenigen Tagen aus dem Kopf heraus bedienen. Bei den Einstellungen geht mir die Baxter-Mitarbeiterin zur Hand – aber auch das kann ich nach spätestens zwei Wochen selbständig durchführen.

Vieles lässt sich individuell programmieren: die Dauer der – in der Regel – nächtlichen Behandlung, die Menge an PD-Lösung pro Zyklus und insgesamt, auch die Art der Behandlung, denn es gibt verschiedene Varianten. Unter anderem ein so genanntes Tidal-Verfahren, bei dem das Dialysat nicht vollständig ausgetauscht, sondern nur teilweise abgepumpt und aufgefüllt wird. Der verantwortliche Nephrologe legt solche Details anhand der ermittelten Laborwerte fest.

So gut wie manuell?

Im Prinzip, heißt es, wirkt die Cycler-Behandlung (APD) so gut wie die CAPD mit manuellen Beutelwechseln. Aber ist das wirklich so und auch bei jedem? Ich habe am Anfang gewisse Zweifel daran entwickelt. Der Grund: Ich hatte den Eindruck, dass ich mich zwei bis drei Wochen nach der Umstellung auf den Cycler weniger ausgeschlafen und tagsüber weniger frisch gefühlt habe.

Da macht man sich so seine Gedanken. Mit geht vor allem der Aspekt „Verweilzeit“ durch den Kopf. Mit den anfänglichen Einstellungen an der Maschine bleibt das Dialysat bei neun Stunden Behandlungszeit und (vom Cycler errechneten) fünf Zyklen nicht einmal 1,5 Stunden pro Zyklus im Bauch. Ob das für eine ordentliche Entgiftung ausreicht?

Die Laborwerte nach etwa vier Wochen geben keinen Aufschluss. Es ist mehr ein subjektives Empfinden, das mich zum Denken und Handeln drängt. Ich möchte die Verweilzeit pro Zyklus verlängern. Aber wie?

Ich stelle fest, dass der Cycler sich nicht ohne weiteres von fünf auf vier Zyklen umprogrammieren lässt. Nach Rücksprache mit meinem behandelnden Zentrum und dem „OK“ des Nephrologen stelle ich die Flüssigkeitsmenge auf 2300 ml pro Zyklus ein, dann kann die Maschine nur noch vier Zyklen bis zum Morgen durchführen – Ziel erreicht. Bei 2300 ml pro Füllung bleibt noch genug Rest-Dialysat, um bei der „letzten Füllphase“ 200 ml in den Bauch zu pumpen. Und die Verweildauer steigt bei 9 h Behandlung auf fast zwei Stunden!

Ist es Einbildung oder echte Wirkung? Ich fühle mich bei längerer Verweildauer einfach besser. Und wenn ich noch länger schlafen kann, erhöhe ich die Behandlungszeit auf bis zu 10:30 h. Das zusätzliche Behandlungsvolumen in meinem Bauch spüre ich überhaupt nicht.

Verlängerung fürs Fußballspiel

Natürlich lässt sich der Cycler nicht nur im Bett bzw. im Schlaf nutzen. Schon bei der Erstausstattung durch Baxter habe ich für die so genannte Patientenleitung ein paar Verlängerungsschläuche bekommen. Diese lassen sich zum Beispiel dann gut nutzen, wenn ich mich schon beim abendlichen Fernsehen anschließen möchte.

Durch die Verlängerung erreicht mein Aktionsradius um den Cycler erfreuliche 6,50 Meter. Genug, um in den TV-Sessel und an den Schrank mit den Chips und Süßigkeiten zu kommen. Genug auch, um den Cycler vor die Schlafzimmertür zu stellen, falls das Knacken doch mal den Schlaf stören sollte. Das hat mir jedenfalls die Baxter-Mitarbeiterin so erklärt. Gebraucht habe ich die Verlängerung dafür nie.

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 war sie echt nützlich. Da manche Spiele erst um 22 Uhr deutscher Zeit angepfiffen wurden, habe ich mich schon vorher an den Cycler angeschlossen, um eine lange Behandlungszeit zu erreichen. Ging wunderbar! Und nach dem Spiel - mit oder ohne Verlängerung – ins Bett...

Zwischendurch abhängen – kein Problem

Was machst Du eigentlich, wenn Du mal musst...? Die Frage habe ich immer mal wieder gehört. Um es kurz zu machen: Der Cycler-Schlauch reicht nicht bis in die Toilette, auch nicht mit Verlängerung. Also muss eine Urinflasche ans Bett. Man gewöhnt sich dran, auch beim Camping. Und bei „größeren Geschäften“? Auch kein großes Problem: Mit Hilfe eines „Opticap“-Sets wird die Behandlung einfach für eine Weile unterbrochen. Sowohl der Katheter als auch der Patientenschlauch am Cycler wird mit einer kleinen Kunststoffkappe verschlossen.

Reif für die Insel? – Nur zu!

Mit der Peritonealdialyse ist die Freiheit zwar nicht grenzenlos, aber mit etwas Unternehmungsgeist und Zielstrebigkeit wird vieles möglich, was bei der Hämodialyse nur schwer erreichbar scheint. Ein vierwöchiger Campingurlaub auf Korsika und Sardinien zum Beispiel.

Klar: Es gibt in vielen Ländern und auf vielen Inseln auch die Feriendialyse der klassischen Art – in entsprechend ausgerüsteten Zentren. Doch ohne großangelegte Planung wochenlang kreuz und quer durch ein Land zu reisen, ganz nach Lust und Laune irgendwo zu verweilen oder spontan den (Camping-)Platz zu wechseln – das geht nur mit der Peritonealdialyse. Voraussetzung allerdings: ein Campingfahrzeug mit Anhänger.

Anhänger? Natürlich: Irgendwie müssen die zahlreichen notwendigen Dialysebeutel ja transportiert werden. Als glücklicher Besitzer eines – uralten – VW-Campingbusses (Baujahr 1987), war deshalb für mich schon früh klar, dass ich einen Anhänger anschaffen würde. Konkret geplant haben wir schon im Frühjahr nach Beginn der Dialysepflicht eine längere Tour nach Korsika und Sardinien.

Viereinhalb Wochen wollten wir im Mai und Juni unterwegs sein. Wo genau, wollten wir erst an Ort und Stelle festlegen. Wir brauchten also für etwa 30 Tage je zehn Liter PD-Lösung (für den Cycler) plus ein paar Reservekartons, falls mal ein Beutel beschädigt würde; plus ein paar Kartons für den manuellen Beutelwechsel. Man weiß ja nie.

Unabhängiger mit Anhänger

Theoretisch und praktisch könnte man sich das gesamte Dialysematerial an den Urlaubsort liefern lassen. Das geht übrigens auch in vielen Ländern außerhalb Europas. Aber wenn man im Zielland gar keine Adresse hat? Oder wenn man den Standort nach Belieben wechseln will? Dann hilft eben nur ein Anhänger.

Wie groß dieser Anhänger sein müsste, war ein leichtes Rechenexempel: Die Kartons mit den PD-Beuteln sind ziemlich genau 40 x 30 x 22 cm (B x T x H) groß. In einen Anhänger mit etwa 1,60 m x 1,20 m Ladefläche passen – bei einer Bordwand von 70 cm Höhe – ziemlich exakt 12 mal drei = 36 Kartons.

Die Realität sieht noch ein bisschen anders aus, weil im Anhänger ein paar Beschläge zu berücksichtigen sind, so dass die Kartons nicht überall Platz haben. Außerdem müssen auch noch Schlauchsets und kleinere Kartons mit Desinfektionsmaterial transportiert werden. Da wir wussten, dass jeder Urlaubstag einen Karton weniger bringen würde, haben wir einiges Dialysematerial zunächst noch im Camping-Bus selbst untergebracht, so dass wir insgesamt mit einigermaßen großzügiger Ausstattung losgefahren sind.

Hinterher waren wir froh darüber: Wir haben tatsächlich die PD-Lösung bis auf den allerletzten Liter gebraucht.

Der Cycler hat die viereinhalb Wochen klaglos seinen Dienst verrichtet. Er wurde auch immer, wenn wir auf Tour gingen, im stabilen Originalkoffer verstaut. Wurde der Bus mal nicht bewegt, blieb auch das Gerät unter einer leichten Decke auf dem Einzelsitz des VW-Busses stehen.

Natürlich mussten wir dafür Sorge tragen, dass wir überall Strom hatten. Und damit uns auch ein Stromausfall keinen Strich durch die Rechnung machte, habe ich den Campingbus vorsorglich mit einem leistungsfähigen Spannungswandler ausgestattet, der aus 12 Volt Batteriespannung die notwendigen 230 Volt Wechselspannung macht. Ein einziges Mal habe ich ihn dann – wegen eines Gewitters – für kurze Zeit auch gebraucht.

Wohin mit dem ganzen Müll?

Schon beim manuellen Beutelwechsel zu Beginn der Peritonealdialyse hat man uns das „erhöhte Müllaufkommen“ prophezeit. Mit dem Cycler wird es dann noch größer: Neben den größeren Beuteln und entsprechenden Verpackungen müssen auch noch die Schlauchsets entsorgt werden.

Was schon zu Hause einen beträchtlichen Aufwand an gelben Säcken und Müllbeuteln bedeutet, wird auf einem Campingplatz bisweilen zu einer echten Herausforderung. Wir haben, um ehrlich zu sein, das verbrauchte wie auch das restliche Dialysat möglichst unauffällig im Boden versickern lassen. Die leeren Beutel werden gefaltet oder zerschnitten in den Transportkarton gelegt, der dann einmal am Tag in den Müllcontainer wandert.

Wenn alles seinen Platz hat oder findet, wenn die Vorbereitung und Versorgung so routiniert abläuft wie daheim, dann ist die Dialyse-Praxis auch beim Camping ohne jeden Stress zu bewältigen. Und so wurde unsere Viereinhalb-Wochen-Tour tatsächlich zu dem entspannenden, erholsamen Unternehmen, das wir uns vorgestellt hatten. Auf Sardinien haben wir übrigens verzichtet, Korsika bietet einfach zu viel, um nach 14 Tagen schon wieder adieu zu sagen. Und in Sardinien waren wir ja schon mal mit Flugzeug und Mietwagen.

Ach ja, und nächstes Jahr wollen wir wieder eine große Tour unternehmen. Wenn unser alter Bus mitspielt. Dann soll es nach Nordspanien und Portugal gehen.

Zwischenbilanz 2016

Zwei weitere Fünf-Wochen-Touren liegen hinter uns: die eben genannte Spanien-/Portugal Reise sowie eine Reise durch Kroatien entlang der Adria bis nach Dubrovnik und zurück – mit Abstechern ins Land. Bei allen Touren gab es keinerlei Zwischenfälle, alles hat reibungslos funktioniert.

Eine einzige Schrecksekunde im Zusammenhang mit der Peritonealdialyse war 2014 auf Korsika zu verzeichnen. Wir hatten – vielleicht – etwas zu viel Fisch gegessen und am nächsten Morgen musste ich feststellen, dass das verbrauchte Dialysat in den Auffangbehältern ganz trübe war. Schlimmer noch: Es roch ziemlich übel. Das waren zwei sehr ernst zu nehmende Alarmzeichen, die auf eine beginnende Bauchfellentzündung hindeuten können.

Ich rief mit klopfendem Herzen in der PD-Ambulanz in Deutschland an. Was kann ich tun…? Ob ich keine Teststreifen zum Überprüfen des Dialysats auf Keime dabei habe, wurde ich gefragt. Ich meinte kleinlaut „nein“, beendete schnell das Gespräch und rannte fast zwei Kilometer in das nahegelegene Städtchen Corte. Gleich in der ersten Apotheke bekam ich die Teststreifen, rannte zurück – und erlebte eine Überraschung: keine Keime festzustellen. Fehlalarm! Ausgelöst wahrscheinlich durch zu viel Eiweiß – in Verbindung mit der hohen Temperatur…

Drei Jahre nach Dialysebeginn nimmt bei mir die Entgiftung langsam ab. Sie wird einmal im Quartal durch eine große Labor-„Routine“ gemessen – und die Entwicklung nach unten ist ganz normal. Die anfangs erfreuliche Restfunktion der Nieren geht allmählich zurück.

Man kann jedoch eine Zeitlang gegensteuern: zum Beispiel durch eine zusätzliche Menge PD-Lösung die den ganzen Tag über im Bauch verbleiben kann. Ich lasse den Cycler bei der „letzten Füllphase“ jeden Morgen 1,2 Liter in das Peritoneum pumpen – ein Volumen, das ich kaum spüre.

Wenn ich mal für kürzere Zeit – bis zu einer Woche – unterwegs bin, nutze ich die Möglichkeit des manuellen Beutelwechsels. Dann habe ich auch für die beschriebene „Tagesdosis“ einen „manuellen Beutel“ zur Verfügung, der ohne Cycler verwendet werden kann. Praktisch!

Neue Reisepläne – auch mit dem Flugzeug

Der frei planbare, flexible Alltag kann also noch eine Weile so weitergehen. Und unsere Reisepläne werden zum Teil noch etwas mutiger. Inzwischen denken wir sogar über die eine oder andere Flugreise nach. Das setzt natürlich voraus, dass das Dialysematerial rechtzeitig an das Reiseziel geliefert wird. Bei Einhaltung bestimmter Vorlaufzeiten ist dies für viele Länder auch tatsächlich garantiert. Lediglich in einige als unsicher geltende Länder kann es keine zuverlässigen Lieferungen geben. Eine Einschränkung, mit der wir leben können.

Ein bisschen „enger“ wird es, auch das soll hier nicht verschwiegen werden, bei der Ernährung. Durch die mangelnde Entgiftung der kranken Nieren muss ich bestimmte Stoffe stärker als früher im Auge behalten – vor allem Phosphat und Kalium. Aber das ist ein großes Thema für sich, und dafür gibt es inzwischen viele nützliche Informationen, sowohl im Internet als auch in speziellen Ratgeber-Büchern.

 

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